Liebe Mitpilger,

auf einer seiner Missionsreisen verschlägt es Paulus nach Athen. Er stellt sich in die Mitte des Areopargs und predigt mit voller Leidenschaft zu den Menschen (Apg Kapitel 17):

Gott hat allen das Leben, den Atem und alles gegeben. Wir sollen Gott suchen, ertasten und finden; denn keinem von uns ist er fern. Denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir.“

Zu diesen Worten will ich Euch heute ein Gleichnis erzählen, das mich schon seit langer Zeit beschäftigt. Dazu besuchen wir den Planeten „Fruchtblase“ und seine vier Bewohner und lauschen den Ereignissen, die dort geschahen.

Frau Hoffnung ging auf Herrn Zweifel zu und stellte ihm folgende Frage:

Glauben Sie an die Geburt, Herr Zweifel?“

Der reagierte mit Verwunderung. „Was soll das sein, Geburt?“

Na ja“, entgegnete Frau Hoffnung, „ich meine halt, ob Sie daran glauben, dass nach dem Leben hier noch etwas kommt.“

Ach Frau Hoffnung, fangen sie schon wieder davon an. Was soll da noch kommen? Wenn die Blase hier platzt ist es aus und vorbei. Wir gehen hier auf das Ende zu. Sehen sie sich doch um. Jeden Tag wird es enger und die Ressourcen werden immer knapper. Nein, nein, irgendwann tut es einen Schlag und dann ist es rum.“

Aber Frau Engel hat mir erzählt, das sei nicht das Ende, sondern erst der Anfang. Es geht nicht um Zerstörung, sondern um Verwandlung.“

So ein Quatsch! Frau Engel ist eine Träumerin, die macht hier alle noch verrückt. Die kann es nur nicht ertragen, dass irgendwann alles vorbei ist. Sie ist zu schwach für die Wirklichkeit. Lassen Sie sich nicht vertrösten auf eine bessere Welt, sondern stehen sie tapfer ihren Mann, Frau Hoffnung!“

Nach einer kurzen Stille setzte Frau Hoffnung erneut an: „Aber Frau Engel sagt, das Ende sei Geburt. Wir durchleiden einen engen Tunnel. Dann aber kommt ein helles Licht. Wir treten der Mutter gegenüber und können sie schauen von Angesicht zu Angesicht. Das ist doch ein wunderbarer Gedanke, Herr Zweifel.“

Sie gehen mir auf den Sack, Frau Hoffnung. Wer soll das sein, die „Mutter“? Haben sie sie schon gesehen? Ich nicht! Das ist doch wieder nur eine schwachsinnige Idee! Lassen sie mich damit in Ruhe.“

Warum werden sie denn so ungehalten, Herr Zweifel? Ja, gesehen hat sie noch niemand. Aber Frau Engel meint, die Mutter sehe in jedem und jeder von uns ihr eigenes Ebenbild. Ist das nicht wunderschön? Und außerdem können wir die Mutter jetzt schon hören. Sie spricht zu uns.“

Ich habe sie weder gesehen noch gehört, Frau Hoffnung! Ich höre nur mich und die anderen. Manchmal vernehme ich ein sonderbares Glucksen oder auch ein rhythmisches Klopfen; sonst aber nichts.“

Ja, genau. Von diesem Klopfen schwärmt Frau Engel regelrecht. Sie sei dann einfach nur da und lausche beharrlich diesem Klopfzeichen. Das sei das Herzklopfen der Mutter, sagt sie. Ihr Herz schlägt ganz für uns. Damit will die Mutter uns verkünden, dass sie immer für uns da ist, komme, was da wolle. Deshalb dürfen wir die Mutter auch mit ihrem Namen ansprechen: Jahwe. Das alles sei Gebet, sagt Frau Engel.“

Herr Zweifel begann langsam zu kochen. Seine Gesichtsfarbe wurde immer dunkler. „Scheren sie sich zum Teufel, Frau Hoffnung. Ich kann das ganze Gelaber von der Mutter nicht mehr ertragen.“

Wie es ihre Natur ist, blieb Frau Hoffnung standhaft und entgegnete mutig: „Was haben sie eigentlich gegen die Mutter? Sie ist herzensgut. Durch sie leben wir. Und Frau Engel meint sogar, dass wir in ihr leben.“

Da zeigte sich in den Gesichtszügen des Herrn Zweifel eine List und mit stolzer Überlegenheit sprach er: „So, so, herzensgut. Und warum hat Frau Liebe-Leid dann nur eine Hand? Die arme Frau da drüben tut mir Leid. Vergessen sie ihre Mutter. Entweder ist sie eine Pfuscherin oder treibt ein böses Spiel mit uns.“

Frau Hoffnung schwieg einen Moment. „Ich muss gestehen, das hat mich auch irritiert. Mit der Behinderung von Frau Liebe-Leid habe ich Frau Engel konfrontiert.“

Und, was hat sie Schlaues geantwortet? Oder war sie mit ihrem Latein am Ende?“, triumphierte Herr Zweifel.

Das soll uns helfen, Liebe füreinander zu entwickeln, hat Frau Engel gesagt. So können wir lernen, uns in andere einzufühlen und Mitgefühl zu spüren. Dann rücken wir immer mehr zusammen und sind füreinander da. Das sei besonders dann wichtig, wenn die Ressourcen knapp werden. Sonst geraten wir ständig miteinander in Streit und sehen ineinander nur Gegner. Und wenn sie ehrlich sind, Herr Zweifel, dann müssen sie zugeben, dass die Luft hier immer angespannter geworden ist in letzter Zeit. Und übrigens – zu Frau Liebe-Leid habe ich inzwischen ein ganz besonders inniges Verhältnis entwickelt.“

Herr Zweifel wurde immer ungehaltener: „Ach, was habe ich mit ihnen allen zu schaffen. Ich mache mein Ding. Ich habe keine Lust auf Schmusegruppe. Am Schluss heißt es noch, wir seien gar Geschwister oder eine Familie. Da mache ich nicht mit.“

Genau das hat Frau Engel gesagt. Wir sind alle Kinder der Mutter. Und wenn wir fest zusammenhalten, ist das ihr größtes Glück. Dann werden wir, wie sie – voller Liebe und innerem Frieden. Dann sind wir alle eins.“ Der Blick von Frau Hoffnung verklärte sich und ihre Augen strahlten.

Das provozierte Herrn Zweifel über alle Maßen. Er stieß Frau Hoffnung auf Seite und schritt mit wilder Entschlossenheit in Richtung Frau Engel: „Jetzt reicht´s mir. Der werde ich die Leviten lesen, meiner sogenannten „Schwester“. Die kann ihr blaues Wunder erleben!“

In diesem Moment platzte die Fruchtblase. Panik brach aus. Stimmen schrien durcheinander. Nur Frau Engel war in Frieden und sprach: „Mama, in Deine Hände lege ich meinen Geist.“

Als Paulus von der Auferstehung zu reden begann, spotteten die klugen Athener. Paulus ging aus ihrer Mitte weg. Einige Männer aber schlossen sich ihm an.

Mir begegneten diese Worte im Treppenhaus der Uniklinik Gießen auf dem Weg in die Kinderherzchirurgie zu unserem Sohn. Sie begleiten mich bis heute.

Ich wünsche Euch ein gesegnetes Pfingstfest! Auf dass wir alle eins werden.

Mit frohem Gruß Euer Mitpilger Volker