Liebe Mitpilger,
neulich kam Gott auf einen Sprung bei mir vorbei und hat mich besucht. Wir kamen miteinander ins Gespräch, so von Vater zu Vater, und Er begann mir Folgendes zu erzählen:
„Volker, du glaubst es nicht, was ich mit meinen Kindern alles erlebe. Vieles hat sich verändert. Immer wenn früher eines meiner geliebten Kinder im Himmel ankam, bin ich losgesaust mit offenem Herzen und offenen Armen, um es an mein mütterliches Herz zu drücken. Du weißt, da bin ich nicht zu halten, und die Liebe geht einfach mit mir durch. Dann sind immer Tränen geflossen. Am Anfang oft aus Trotz und Wut. Dann aus Trauer und Reue. Schließlich aus Dank und Freude. Am Schluss waren es immer Tränen der Glückseligkeit. Was war das wunderbar!
Doch erst gestern – ich kann dir sagen… Ich bin wieder losgesaust voller Vorfreude und war nicht zu bremsen. Und gerade als ich meinen Sohn in die Arme nehmen wollte, hält er mich mit beiden Händen auf Abstand und sagt: Hey, Alter, jetzt machen wir erst einmal ein Selfie.“ Ich war sprachlos. Der hat mir seinen Arm um die Schulter gelegt und in sein Smartphone gegrinst. Dann hat er mich einfach stehen gelassen und ständig auf dem Kästchen rumgedaddelt. Er müsse das Bild bearbeiten. Dann hat er noch etwas gefaselt von posten und Status. Ich stand da wie ein Depp. Da habe ich ihn vor die Alternative gestellt. Entweder ohne Smartphone in den Himmel oder mit wieder auf die Erde. Und fort war er. Ich habe nur noch gehört, wie er etwas von Followern gesagt hat, um die er sich kümmern müsste und habe ihn nicht mehr gesehen. Also, das mit der Nachfolge hat Jesus definitiv anders gemeint.
Volker, was ist da los? Früher wollten die Menschen alle in den Himmel. Heute wollen sie ständig nur ins Internet.
Als ich dann hinunter auf die Erde geblickt habe, sah ich ein unglaubliches Gerenne. Seine Follower rannten ihm hinterher und er seinen Followern. Wer ist da eigentlich wer? Die sind total irre. Das ist schlimmer als vor 2000 Jahren mit dem Tanz um das Goldene Kalb. Wieder merkt niemand, dass das ein sinnloser Wirbelsturm um das aufgeblähte Ego ist. Reine Illusion, ein Tanz um nichts, total hohl. Wie ein Herz, das ganz verrückt schlägt, ohne Blut zu transportieren. Da ist kein Leben. Wenn sie diesen Irrsinn anhalten, würden sie die Wahrheit erkennen. Aber davor haben sie Angst. Also erhöhen sie das Tempo.
Tja, was willst du machen? Gott sei Dank – bei diesen Worte musste Er selber schmunzeln – habe ich das schon vorher gewusst. Wie immer gibt es mindestens drei Möglichkeiten im Heiligen Geist, wie man das beendet. Entweder es fliegt jemand aus der Bahn, oder er bricht zusammen, oder ich stelle ihm aus Liebe ein Bein. Sonst ist dieser Wahnsinn nicht zu stoppen. Immer aber gibt es dann ein riesen Gejammer, und ich muss mir zunächst Vorwürfe gefallen lassen. Einige finden dann ins Leben zurück, andere steigen in dieses Karussell wieder ein. Die Schlimmsten sind die, die aus lauter Opferkult schneller rennen denn je und dazu jetzt in die andere Richtung sausen. Die laufen richtig Amok. Wenn du das von oben siehst, dann schüttelst du nur noch mit dem Kopf. Wenn ich nicht um das gute Ende wüsste, Volker… „
Dann erhoben wir gemeinsam das Glas und tranken auf die Liebe und das Leben, die zu guter Letzt doch den Sieg davon tragen.
Ich habe lange über dieses Gespräch nachgedacht. Vielleicht offenbart das Wort „Selfie“ tatsächlich wie kein anderes die Selbstverliebtheit der Menschen in das eigene kleine Ego. Weil man sich nicht von Gott geliebt weiß, kommt es zur Überkompensation. Man bläht sich auf. Das führt zu einem Überindividualismus, der dann nur noch Ansprüche und Rechte geltend macht. Damit kommt das Wir unter Dauerdruck. Ihm gegenüber gibt es keine Pflichten mehr. Aus Geben und Nehmen wird eine Einbahnstraße. Ist das Ego erst einmal aufgebläht, sieht man seine Mitmenschen nicht mehr. Ist man nicht mehr in ein Wir eingebunden, entbindet sich der Einzelne von der Verantwortung für das Ganze. Die Fähigkeit, Kompromisse zu suchen und zu finden verkümmert. Es wird Klage eingereicht und prozessiert. Die Gerichte können ein Lied davon singen. Dabei ist es so erholsam, einmal die Luft heraus zulassen und zu entspannen. Niemand nötigt uns zu diesem Wettlauf. Wesentliches gibt es dabei ohnehin nicht zu gewinnen. Am Kreuz hat uns Jesus von dieser Existenzweise erlöst und eingeladen, ein Leben aus dem Bewusstsein eines Gotteskindes zu führen. Dann müssen wir den Fluss des Lebens nicht mehr anschieben, sondern können darin baden. Und ich gehe jetzt plantschen.
Mit frohem Gruß Euer Mitpilger