Liebe Mitpilger,

als ich mich mit den Menschen des Advent beschäftigt habe, ist mir unsere tiefe Verwandtschaft aufgegangen. Sie sind wie ich suchende Menschen. Es sind keine herausragenden Größen ihrer Zeit, sondern einfache Menschen, eher am Rande der Gesellschaft. 

In den Augen ihrer Zeitgenossen waren das sehr sonderbare Gestalten. Doch Heilige sind zu jeder Zeit ver-rückt. Der Maßstab ihres Handelns ist nicht nach Menschenmaß geeicht. 

Jesaja hat vielen als Querkopf gegolten. Elisabeth und Zacharias sind ein altes Ehepaar, dessen Liebe von Gott nicht gesegnet schien. Deshalb blieb ihre Ehe ohne Früchte. Maria und Josef erwarteten ein Kind, ohne verheiratet zu sein! Der Täufer schien eher ein religiöser Fanatiker zu sein. Die drei Weisen aus dem Morgenland waren sogar Ungläubige und die Hirten genossen kaum Ansehen. Allen gemeinsam ist ihre Sehnsucht nach mehr, die Sehnsucht nach etwas, das bleibt. Es ist die Sehnsucht nach dem ewigen Gott. 

Weil sie sich ihre Sehnsucht eingestanden, wussten sie auch um ihre Bedürftigkeit. Sie haben sie aber nicht versteckt oder verdrängt, weder vor sich noch vor den Menschen. Sondern sie haben mit ihr gelebt und sie Gott hingehalten. Ihre Sehnsucht hat sie verletzbar, aber auch fruchtbar gemacht. Im letzten hat sich ihre Bedürftigkeit als Schatz offenbart. Denn in ihre offene Wunde hat Gott das Samenkorn seiner liebenden Verheißung hineingelegt. Und diese Frucht reift der Erfüllung entgegen. 

Das hat mir meine Bedürftigkeit sympathischer gemacht. Das Beispiel meiner adventlichen Begleiter macht es mir einfacher, meine Bedürftigkeit als Teil meiner Person zu akzeptieren. Dass sie noch dazu das Einfallstor des Heiligen Geistes ist, ist für mich tröstend und befreiend. Ich glaube, dass diese Sehnsucht jedem Menschen mit auf den Weg gegeben ist. Sie bewegt und bringt in Bewegung. So lebt der Mensch zwischen Verheißung und Erfüllung. Diese Spannung anzunehmen und zu leben bedeutet, das Leben in all seinen Dimensionen zu verkosten. Es verleiht dem Leben seine Tiefe und macht es bleibend spannend.

Ich glaube, dass unserer Seele die feste Gewissheit um die Erfüllung unserer Sehnsüchte eingeprägt ist. Doch unser Verstand versucht es, unserem Herzen immer wieder auszureden. Mag es noch so unvernünftig sein, unsere Seele weiß, dass die Verheißung sich erfüllen wird! Gott sei Dank!

Weil die Erfüllung aber noch aussteht, ist die Sehnsucht der Menschen immer Quelle tiefer Freude und unsagbarem Schmerz zugleich. Als offene Wunde verweist sie auf den Heiland. Deshalb ist sie eine Spur zu Gott. Wir dürfen und sollen ihr folgen und können unsere Bedürftigkeit und Wunden umarmen, weil Gott sie umarmt. So geschieht Heilung und Aussöhnung schon jetzt. Der adventliche Mensch liegt in Geburtswehen. Schmerz und Glück liegen ganz dicht beieinander. Aber am Ende steht immer das neue Leben.


Mit frohem Gruß Euer Mitpilger Volker